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Kundgebung gegen den Krieg

Friedensgebet in der Marktkirche
15. März 2003

„Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein!“ Das war allen klar, damals, nach dem 2. Weltkrieg. 1948 fand die Weltkirchenkonferenz statt. Und man sagte es laut und deutlich: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein!“ Warum nicht? Weil es die Botschaft vom Frieden gibt. Die Gute Nachricht, das „Evangelium des Friedens“. Frieden: das ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Das ist eine Haltung, ein Weg. Das kann man lernen. Allerdings macht es Mühe! Tag für Tag muss man seine eigene Aggression annehmen und umformen. Jeder Mensch hat beides an sich: Gutes und Böses. Frieden hat darum mit Arbeit an mir selber zu tun, mit Gerechtigkeit, mit Gemeinschaft der Völker. Selig sind, die Frieden schaffen. Dieses Wort Jesu ist der Maßstab! Frieden ist möglich!

Und jetzt kommt der amerikanische Präsident daher und fordert: Erklärt meinen Krieg für gerecht. Billigt es, dass ich ein Land angreife. Gebt euer o.k. vorweg, egal, was passiert. Und wenn ihr es nicht tut, kriegt ihr Ärger mit mir. Außerdem: es ist mir völlig gleichgültig, was ihr denkt. Was rechtens ist, bestimme ich! Der Weltsicherheitsrat ist dagegen? Egal, dann mache ich es allein. Die Kirchen weltweit sind dagegen? Egal, Gott ist mit uns! Friedensdemonstrationen weltweit, Millionen von Menschen auf den Straßen? Na, und?! Hunderttausende Opfer in der Zivilbevölkerung des Irak? Schicksal – wo gehobelt wird, fallen Späne ... „Wer weint schon um Abdul und Tanaya?“ (Jürgen Todenhöfer).

Ich wundere mich! War dieses Land nicht unser Lehrmeister? Haben die Amerikaner uns nicht Demokratie gebracht?! Danke dafür! Wir haben gelernt! Darum stehen wir heute hier! Oder habe ich da etwas falsch verstanden?! Auch wenn es wehtut: wir müssen genau hinschauen! Ein amerikanischer Bischof sagt:

„Wir (Amerikaner) sind Zielscheibe des Terrorismus, weil unsere Regierung in weiten Teilen der Welt Diktatur, Sklaverei und menschliche Ausbeutung verteidigt. Wir sind Zielscheibe der Terroristen, weil wir gehasst werden“. Das sind harte Worte. Ich kann sie nicht widerlegen. Es stimmt ja: das Weltklima-Protokoll unterschreiben sie nicht, den internationalen Strafgerichtshof boykottieren sie – nach dem Motto: niemand stellt unsre boys vor Gericht ...

Als der Vietnamkrieg begann, war ich noch felsenfest überzeugt: die Amerikaner sind im Recht. Als ich das erste Bild sah, kam ich ins Wanken: Ein Kind, von einer Napalmbombe angezündet. Was passierte da?! Angeblich der Kampf der Guten gegen die Bösen. Was hatte das Kind Böses getan? Heute weiß ich: Das war Unrecht. Es ging um Macht in Asien. Und wir wissen: immer wieder wurden auch demokratisch gewählte Regierungen beseitigt und durch Militärdiktatoren ersetzt. Iran, Chile, Nicaragua.

Damals galt der Kommunismus als “Reich des Bösen”. Die Wende kam nicht durch Krieg. In der DDR begann sie mit Friedensgebeten in Leipzig! So läuft das! Heute haben wir es angeblich mit einer „Achse des Bösen“ zu tun. Wer zu den Bösen zählt, bestimmt der amerikanische Präsident. Ich finde das empörend und unerträglich! Eine schlimme Mischung aus nationalem Stolz und missbrauchtem christlichem Gedankengut. „Die Bibel in der einen Hand, den Revolver in der anderen“ (Theo Sommer in der ZEIT). Das geht nicht! Das ist ein Missbrauch des Gottesnamens. Und unmenschlich ist es auch. „Der Name Gottes ist Frieden. Niemand darf Gott anrufen, um seinen eigenen Krieg zu segnen“ (Friedensgipfel von Palermo 2002).

Überhaupt: Kampf gegen das Böse. Das ist ein religiös aufgeladener Begriff. Mit so etwas sollte Herr Bush vorsichtig sein. Das Böse kann man nicht erschießen. Das Böse kann man nicht wegbomben. Auf das Böse lässt sich nicht mit Fingern zeigen: Da ist es, da ... Das Böse steckt überall. Auch in uns. Und Herr Bush sollte endlich aufhören, so zu tun, als habe er einen göttlichen Auftrag. Frieden ist nicht ein Ziel, das man sich frei bombt, sondern ein Weg, den man geht. Man kann nicht über Leichen gehen, wenn man den Weg Christi gehen will! Das Böse ist nur mit Gutem zu überwinden. Mit dem Bösen sollten wir Gott selber kämpfen lassen. Unsere Aufgabe ist es, das Gute zu tun, wo immer wir können. Es geht um gerechten Frieden! Wer sollte Menschen hassen, die ausgehungerte Kinder ernähren, Brunnen graben und Krankenhäuser aufbauen!?

Ich möchte nicht missverstanden werden! Diktatoren wie Saddam sind grauenvoll. Terroristen wie Bin Laden sind schlimmste Verbrecher. Ich rede über das, worauf wir Einfluss haben. Was rechtfertigt es, eine humanitäre Katastrophe im Irak herbeizuführen? Schon jetzt sterben massenhaft Menschen, vor allem Kinder. In wessen Interesse passiert das?? Die Möglichkeit, Massenvernichtungswaffen herzustellen, ist ein ernstes Problem. Aber offenbar kein zwingender Grund für Amerika, ein Land anzugreifen: siehe Nordkorea.

Stellen wir uns ein einzelnes Kind vor: Tanaya. Wir schauen ihm in die Augen: Sofort wissen wir, was zu tun ist. Wir legen die Waffen ab. Wir beschaffen Lebensmittel und Medikamente. Wir sorgen für ein menschenwürdiges Leben. Die Mittel dazu haben wir. Reichlich. Das ist es: Wunden heilen, sich mit Feinden versöhnen, den Weg des Friedens betreten.

Die Goslarer Propstei-Synode hat einen Aufruf veröffentlicht: „Frieden ist möglich!“ Darin heißt es: Alle Bürgerinnen und Bürger unserer Region „ermutigen wir, ihre demokratischen Möglichkeiten für die Bewahrung des Friedens einzusetzen, indem sie zum Beispiel demonstrieren, Leserbriefe schreiben und ihre Politiker unnachgiebig für eine entschiedene Friedenspolitik zu gewinnen suchen.“