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Preisverleihung an den Verein „Leben in der Fremde“

22. Dezember 2009 in der Marktkirche Goslar

Meine sehr geehrten Damen und Herrn, der Zeitpunkt und der Ort sind von hoher symbolischer Kraft. Wenn Sie sich die Krippe hier vorn genau anschauen, dann sehen Sie: die Krippe ist leer und Maria und Josef sind auch noch nicht da. Sie sind unterwegs. Sie stehen damit exemplarisch für die Herumirrenden und Herumgestoßenen; manche Predigt zu Weihnachten wird da anknüpfen und das Schicksal der Fremden in der Welt und in unserem Land beleuchten.

In Goslar selber sieht es so schlecht gar nicht aus. Wir haben hier einen Verein, der sich seit mehr als 20 Jahren in vielfältiger Hinsicht hilfebedürftiger Menschen in unserer Stadt annimmt. Menschen mit unterschiedlichen Schicksalen, denen jedoch gemein ist, dass sie aus schwierigen Verhältnissen stammen und einer ungesicherten Zukunft entgegen sehen. Diesen Verein, konkret natürlich seine Mitglieder und die handelnden Personen, wollen wir heute ehren.

Worin besteht die besondere Leistung? Nun, niemand gibt leichtfertig seine Heimat auf und geht in ein Land, das nicht mit offenen Armen wartet. Der Verein „Leben in der Fremde“ setzt genau da an. Er fragt nicht nach dem Grund der Ausreise oder nach dem Aufenthaltsstatus. Entscheidend für seine Hilfestellung ist die Not der Menschen. Sei es, dass sie in unwürdigen Verhältnissen einquartiert werden, sei es, dass es am nötigsten fehlt, sie bürokratisch gegängelt werden oder der Abschiebung entgegen sehen: Die Hilfsangebote sind vielfältig und reichen von Gesprächen mit Behörden über materielle Hilfe bis hin zur Unterbringung im eigenem Haus.

Viele Menschen konnten dabei in ihrer prekären Situation stabilisiert werden und für einige konnte auch ein Aufenthaltsstatus erwirkt werden, der Hoffnungen für die Zukunft zuließ. Bisweilen war es nur dem Engagement des Vereines zu verdanken, dass in einer Situation, in der Behörden nicht helfen konnten oder nicht helfen wollten, Menschen eine Perspektive aufgezeigt wurde.

Mit diesem Engagement praktiziert der Verein nicht nur tätige Nächstenliebe, sondern er trägt auch zur Stabilität unserer Gesellschaft bei, indem gezeigt wird, dass Tugenden wie Solidarität mit Schwachen oder Mitmenschlichkeit nach wie vor das Fundament unserer Gesellschaft sein müssen. Eine Gesellschaft, die diese Werte lediglich im Munde führt, aber nicht danach handelt und nur dem Egoismus frönt, verliert auf Dauer ihre Basis und die Zukunft.

Der Umstand, dass der Verein „Leben in der Fremde“ gerade in diesem Jahr und trotz ernst zu nehmender Konkurrenz den Preis erhält, ist auch als Anerkennung für den Mut zu sehen, dass der Verein sich in diesem Jahr eines Problems angenommen hat, das unpopulär ist und das in Goslar noch nicht thematisiert worden war: Die Existenz sogenannter Illegaler, auch Menschen ohne Papiere genannt, die im Verborgenen in unserer Mitte leben. Die Gründe für deren unrechtmäßigen Aufenthalt sind vielfältig, aber deren Lage ist noch bedrückender als die von Flüchtlingen oder Asylbewerbern. Am Arbeitsplatz ausgebeutet und von Krankenversorgung abgeschnitten leben sie vollkommen schutzlos und vereinzelt. Der Verein hatte hier in der Kirche eine Ausstellung mit dem Thema „kein Mensch ist illegal“ durchgeführt und eine vielbeachtete Podiumsdiskussion organisiert, an der unter anderen auch Landesbischof Weber teilnahm. Diesen und anderen Aktivitäten in unserem Lande ist zu verdanken, dass in Teilbereichen Fortschritte absehbar sind. So sollen künftig Krankenhäuser nicht mehr verpflichtet werden, Patienten ohne Aufenthaltsstatus den Ausländerbehörden zu melden und es bleibt zu hoffen, dass auch der Schulbesuch von Kindern künftig problemlos möglich ist.

Infolge dieses nachhaltigen Engagements wuchs die Akzeptanz des Vereins auch bei solchen Behörden, die ursprünglich dessen Wirken skeptisch beurteilten. Es ist auch im Sinne der Betroffenen zu wünschen, dass dieser Ansatz bestärkt wird und zu einem immer vertrauensvolleren Umgang miteinander führt. Dafür gibt es gute Anzeichen. Unsere Goslarer Propsteisynode hatte sich ja öffentlich für die Verlängerung des Bleiberechtes eingesetzt, wie auch die Landessynode. Personelle Brücke ist Frau Liebau, die als umtriebig und hartnäckig in der Landessynode „gefürchtet“ ist – aber Erfolg hat. Der Landkreis hat sich bei der Propstei für die Unterstützung durch die Resolution bedankt und hat die Bereitschaft bekundet, die Entscheidungsrahmen zu nutzen.

Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes und jeder Mensch, für den eine Zukunftsperspektive in unserer Mitte geschaffen werden kann, ist ein Gewinn für unsere vom Bevölkerungsrückgang geprägte Stadt.

Auch unter diesem Aspekt hat sich der Verein „Leben in der Fremde“ verdient gemacht.