„…und tue desgleichen!“
8. November 2008
„Erklären Sie mir“, so fragte Eichmann, „warum Sie sich für diese Juden einsetzen. Sie haben keine jüdische Verwandtschaft. Sie haben es nicht nötig, für diese Menschen einzutreten. Niemand wird es Ihnen danken! Ich begreife nicht, warum sie es tun!“ Darauf erwiderte Grüber: „Sie kennen die Straße von Jerusalem nach Jericho! Auf dieser Straße lag einmal ein überfallener und ausgeplünderter Jude. Ein Mann, der durch Rasse und Religion von ihm getrennt war, ein Samariter, kam und half ihm. Der Herr, auf dessen Befehle ich allein höre, sagt mir: Gehe du hin und tue desgleichen.“
Eine Szene aus dem Leben des legendären Berliner Propstes Heinrich Grüber. In Israel gedenkt man seiner in der „Allee der Gerechten der Völker“ – als einem der wenigen Christen. Am Sonntag ist 9. November, in der Reichspogromnacht vor 70 Jahren wurden Synagogen verbrannt, Geschäfte geplündert, Menschen ermordet. Auch in Goslar hinterließ dieses Treiben bleibende Wunden. Es erschreckt zutiefst, dass Menschen, die ihr Leben lang die christliche Botschaft gehört hatten, zu Aktivisten und Zuschauern der Vernichtung wurden. Spärlich sind die Spuren von Zivilcourage. Öffentliche Kritik der Kirchen an den Pogromen blieb aus. Nur wenige hatten bemerkt, dass die Nationalsozialisten dabei waren, den christlichen Glauben durch eine menschenverachtende Ideologie zu ersetzen.
Es ist notwendig, sich mit diesen Vorgängen auseinander zu setzen. Wer will denn von sich behaupten, dass er oder sie gegen solche Verführung gefeit ist! Der unverfälschte Blick zurück, die Bereitschaft, sich den eigenen Untiefen zu stellen, das Hören auf die Friedensbotschaft Jesu – all das ist die Pflicht einer sich – immer noch – „christlich“ nennenden Gesellschaft, nicht zuletzt in Goslar.