Auf Wasser gehen?
Vorwort
Zu Beginn seiner Arbeit als Propst in Goslar saßen wir eines Abends mit Helmut Liersch bei einem französischen Weißen zusammen. Als man ihm nachschenken wollte, sagte er: „Nein danke, ich gehe jetzt auf Wasser“. Das hat unsere Erwartungen aufs Äußerste gespannt. Und er hat sie erfüllt – wenn auch etwas anders, als wundersüchtige Menschen es sich wünschen mögen.
Helmut Liersch hat – wenn wir ihn richtig verstehen – das Propstamt als eine wichtige Umspannstation für jene Glaubensenergien gesehen, die Christinnen und Christen in Bewegung halten: zwischen landeskirchlicher Verwaltung und gemeindlicher Basis, zwischen verwalteter Kirche und lebendiger Glaubenserfahrung, zwischen stiller Frömmigkeit und öffentlichem Glaubenshandeln.
Er weiß, dass wir in einer Zeit leben, in der Menschen nicht so sehr nach lernbaren Glaubenssätzen, sondern mehr nach erlebbarem Christsein fragen. Beides zu ermöglichen, ist sein Wunsch.
So arbeitet er für Kirchen mit offenen Türen und vielen Wohnungen. Das erfordert einen Bau, der gut gegründet ist – nämlich auf Gottes Wort. Deshalb ist ein Kernsatz seiner Predigten: „Das Wichtigste in unserem Leben ist bereits in Ordnung“ – durch die verlässliche Zuwendung Gottes zu uns. „Dass Gott uns Menschen sucht und annimmt – ohne Vorbedingungen, ohne Gegenleistung, aus reiner Gnade.“ Allein aus Gnade, diese Grundlage vermittelt er den Menschen.
Niedrig, aber nicht flach, sollen die Schwellen der Gemeinden und Gotteshäuser sein. Die Räume gut gelüftet durch Fenster, die er weit öffnet, aber nicht auf Durchzug stellt. Deshalb steht er nicht für eine Kirche, die unauffällig mit dem Strom der Zeit schwimmt oder gar den Zeitgeist mit dem Geist Gottes verwechselt. Er steht für eine Kirche, die sich den gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Herausforderungen unserer Zeit stellt und sie vom Wort Gottes her in den Blick und in die Hand nimmt.
Das erfordert eine Sprache, die – in Gottes Wort gegründet – Klarheit ausstrahlt und den Hörerinnen und Hörern liebevoll begegnet. In allen seinen Arbeiten sind profunde Sachkenntnis und Liebe untrennbar miteinander verbunden.
Wer mit reichen Gaben und Kräften beschenkt ist wie Helmut Liersch, kann andere gelten lassen. Er vertritt nicht die Meinung, er müsse alles selbst erledigen. Eines seiner Merkmale ist die Gelassenheit, die viele Blumen blühen lässt: andere Menschen anzuregen und auf gute Gedanken zu bringen, das ist eine seiner Stärken. Dieser Gabe verdanken auch die beiden Herausgeber Wichtiges für ihre geistliche Entwicklung.
Und das gilt überhaupt für seinen Umgang mit Laien: nicht Maulkorb, sondern gleiche Augenhöhe und Verantwortung ist hier sein Motto. Deshalb hat er – neben allen strukturellen Aufgaben – die geistliche Gemeindeleitung wieder in den Mittelpunkt gerückt; und das bedeutet für ihn: Mitarbeit aller Getauften.
Nein, er geht nicht auf dem Wasser. Er steht fest auf dem irdischen Boden und der Höhe unserer Zeit. Und es trägt ihn die Hoffnung auf ein „Leben in Gott. Gott wird alles in Allem sein“.
Diese Klarheit und diese vertrauensvolle Hoffnung werden die Leserinnen und Leser auch in den Texten dieser Festgabe finden. Wir haben sie ausgewählt, um das Schreiben, Reden und Tun von Helmut Liersch zu würdigen und ihm zu danken. Die Impulse sind als „Gedanken zum Sonntag“ in der Goslarschen Zeitung erschienen. Die Predigten hat er, wenn nichts anderes vermerkt ist, in der Marktkirche zu Goslar gehalten, die Reden und Vorträge bei verschiedenen gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Anlässen. Sie zeigen das weite Spektrum seiner Themen und seine Fähigkeit, diese auf der Basis und im Sinne des christlichen Glaubens zu durchleuchten.
Dierk Landwehr Hans W. Schünemann